On the road again
- LocoBanana
- 8. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Apr.

Es beginnt nicht am Meer.
Nicht da, wo die Wellen brechen oder die Sonne untergeht.
Es beginnt vor der Tür, im Morgengrauen, zwischen Kaffeegeruch und letzten Listen im Kopf.
Wenn der Kofferraum endlich zugeht.
Wenn du nochmal prüfst, ob das Navi vom Auto schneller ist, als das von GoogleMaps.
Wenn du tief durchatmest und weißt: Jetzt ist’s soweit.
Düsseldorf.
Natürlich nicht um acht Uhr, wie großspurig am Abend zuvor verkündet.
Aber immerhin noch am Vormittag.
Ich warte, bis die letzte Tür ins Schloss fällt.
Kurz still.
Dann drehe ich die Musik auf.
Zur Sonne, zur Freiheit – schön, dass ihr dabei seid.
Mit Janis, Judith, Jona und mir.
Jona ist unsere kleine durchgeknallte Cocker Spaniel-Hündin.
Noch muppt sie, dreht sich im keis, schaut neugierig aus dem Fenster,
aber kaum setzt sich der Wagen in Bewegung, legt sie sich hin.
Das sanfte Summen des Motors und die Playliste wiegt sie wie immer sanft in den Schlaf.
Der erste Meilenstein ist geschafft.

Der Kombi ist voll bis unters Dach.
Koffer, Taschen, Wetsuits, Zeugs, Bücher die wir vielleicht aufschlagen –aber das wichtigste: die Playlist.
Ein Jahrzehnt an Roadtrips verdichtet in Form von ein paar Stunden Musik.
Streaming-Service auf Shuffle, aber mit Haltung.
Zwischen Earth, Wind and Fire und Angus & Julia Stone flackern Erinnerungen auf.
Songs, die nach Wind riechen.
Nach Freiheit.
Nach Ankommen im Dazwischen.
Seit über zwölf Jahren fahren wir los.
Jedes Jahr Richtung Süden.
Und doch fühlt sich jede Abfahrt neu an.
Jeder Stau, jeder Tunnel, jedes flüchtige Schild am Rand hat wieder Bedeutung.
Belgien huscht an uns vorbei wie ein Zwischenakkord – unspektakulär, aber nötig.
In Frankreich dann die ersten Pausen, und ein erstes Lächeln.
Das Licht ändert sich.
Gegen Abend erreichen wir Tours.
Die Straßen sind noch warm vom Tag, die Stadt liegt ruhig da, als hätte sie auf uns gewartet.
Wir sitzen draußen, lassen uns in die Stühle fallen wie in eine vertraute Erinnerung.
Der Bordeaux ist kräftig, das Essen einfach und perfekt.
Wir reden kaum.
Nicht, weil es nichts zu sagen gäbe.
Sondern weil alles gesagt ist.
Wir sind unterwegs.
Und das reicht.
Am nächsten Morgen wache ich vor dem Wecker auf in La Rochelle auf.
Der Himmel ist hellblau mit weichen Kanten.
In der Ferne ruft ein Markthändler seine Ware aus.
Wir packen zusammen und schlendern auf einen kleinen Wochenmarkt.
Nichts Besonderes.
Und doch genau das.
Oliven in braunen Tonschalen, Ziegenkäse, der nach Wiese riecht.
Eine ältere Frau schenkt uns ein Lächeln, ohne zu wissen warum.
Wir kaufen Brot, das noch warm ist.
Trinken Kaffee in einem kleinem Bistro.
Wie aus dem Nichts – na gut, wir hatten seit Tagen geschrieben, aber es fühlte sich trotzdem an wie ein Zufall – treffen wir Freunde.
Sie waren mit Ihrem Wohnmobil, auf dem Rückweg aus Spanien.
Zwei Minuten später, und wir hätten uns verpasst.
Aber so – kurze Umarmung, schnelles Lachen, ein paar Fotos,
und jeder zieht weiter auf seiner eigenen Straße.
Wieder Auto.
Wieder Fahrt.
Und langsam ändert sich alles.
Die Landschaft wird flacher, trockener.
Das Licht verliert sein französisches Gold und wird spanisch klar.
Der Horizont wird breiter, leerer –und gleichzeitig voller Bedeutung.
Grenzübergang.
Ein Ort, den niemand als Reiseziel nennt.
Und doch ist er magisch.
Weil er alles ändert.
Spanien.
Je weiter wir fahren, desto mehr verlieren wir Zeit und Raum.
Links und rechts Steppe, ein paar Olivenbäume, das Summen von Zikaden,nichts, was bleibt – und genau darin liegt das Wunder.
Weil alles flüchtig ist.
Und wir mittendrin.
Gegen Abend dann Salamanca.
Goldene Stadt aus Sandstein und Musik.
Und wir kommen mitten ins Fest.
Als hätten wir es so geplant – haben wir aber nicht.
Anfang September, die Altstadt vibriert.
Gitarren in den Gassen, Tapas auf Tellern,
Kinder laufen zwischen Tänzern hindurch,
ältere Männer trinken Rotwein aus Plastikbechern.
Es riecht nach Sommer, Rauch, Leben.
Wir essen, wir trinken, wir lachen.
Und tanzen irgendwann einfach mit.
Später in der Nacht – irgendwo auf einer Bank –denke ich daran, wie selbstverständlich dieser Ort für für andere ist.
Wie viele Menschen hier leben, Tag für Tag, Jahr für Jahr,
und nichts davon als besonders empfinden.
So wie ich manchmal meine Stadt nicht mehr sehe.
Aber ich – ich werde mich erinnern.
An dieses Licht.
An diesen Klang.
An diesen einen Moment.
Weil Reisen nicht immer woanders sein muss.
Sondern neu sehen.
Fühlen.
Staunen.
Und morgen?
Geht’s weiter.
Richtung Küste, Richtung Wellen, Richtung Süden.
Aber das ist eine andere Geschichte.
“Wherever you go becomes a part of you somehow.”
– Anita Desai

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